Der deutsche Schachgroßmeister Dr. Helmut Pfleger präsentiert mit dieser DVD die schönsten Partien der Schachgeschichte. Er wurde vor allem als Autor und Co-Autor zahlreicher Schachbücher bekannt und war neben GM Vlastimil Hort TV-Moderator der Sendung „Schach der Großmeister“, welche vom WDR von 1983-2005 ausgestrahlt wurde. Leider konnte man diese Sendung nur einmal im Jahr bewundern, aber, was meiner Meinung nach sehr schade ist, gibt es Derartiges heute im Fernsehen nicht mehr. Ob es an mangelndem Interesse der Öffentlichkeit oder aber der stärker zunehmenden Anzahl der Live-Partien via Internet liegt, ist nicht ganz klar. Ich kann mich noch zurückerinnern als diese Sendung im TV lief, was ja für unsere Breitengrade nicht gerade gewöhnlich ist/war!
Im Jahre 1975 wurde Dr. Pfleger der Titel Schachgroßmeister verliehen wonach er zu der Spitze im deutschsprachigen Raum gehörte. Seit den letzten grob zehn Jahren sind zwar keine internationalen Partien auf seinem Konto zu verbuchen, allerdings hat Pfleger in seiner langen Schachkarriere viel Wissen angeeignet, wobei auf der DVD auch die eine und andere Geschichte erzählt wird. Die im Folgenden besprochene DVD, Band 1 der schönsten Partien der Schachgeschichte, umfasst zirka 4 Stunden Spielzeit, und die 10 präsentierten Partien werden nun in der Neuauflage durch eine Partie zwischen Glucksberg gegen Najdorf, gespielt in Warschau 1930, ergänzt.
Aufbau
Diese DVD ist anders wie die bisher vorgestellten DVDs, wo man benachrichtigt wurde, wann die Pause-Taste zu drücken war, um über eine Kombination oder einen guten Zug nachgrübeln zu können. Hier sind die Partien in einer Art Präsentation dargestellt, wobei Pfleger äußerst viel Wert darauf legt, dass die Partien auch von fortgeschrittenen Anfängern oder moderaten Amateuren leicht verfolgt werden kann. Er fasst oft wichtige Grundprinzipien der jeweiligen Stellung zusammen, wie zum Beispiel, Schwächen in einer Stellung, Bauernketten, Aktivitäten von Figuren, wodurch dementsprechend schöne Opfermotive möglich werden.
Inhalt
Auf dieser DVD sind elf Partien von überaus sehenswertem Charakter in Clips zu jeweils zirka 15-30 Minuten präsentiert. Im Detail sind es folgende Partien:
Partie 1: Adolf Anderssen – Jaques Dufresne, Berlin 1852
Diese Partie von dem deutschen Mathe-Professor Anderssen ging als die „Immergrüne Partie“ in die Schachgeschichte ein! Anhänger des romantischen Schachs kommen bei dieser zackigen Partie voll auf ihre Kosten. Es beginnt mit dem Evans-Gambit und es kommt in der Folge zu tollen Opfern. Anderssen setzt am Schluss mit Dame und Turm weniger Matt!
Partie 2: Gerz Rotlevi – Akiba Rubinstein, Lodz 1907
Diese Partie beginnt eigentlich recht gemütlich mit der Tarrasch-Verteidigung, aber nach zirka zwanzig Zügen spitzt sich die Partie immer mehr zu. Rubinstein, mit den schwarzen Steinen, schafft es dann aber mit einer schönen Opferserie und auf Grund des guten Zusammenspiels seiner Figuren seinen Kontrahenten auf eine wunderschöne Art niederzuringen.
Partie 3: Richard Reti – Alexander Aljechin, Baden-Baden 1925
Der promovierte Jurist Aljechin gehört zu den größten, aber auch besessesten Spieler aller Zeiten! Reti, der schon damals mit 1. Sf3 und 1. g3 die Herausforderung annahm, mit Weiß nicht sofort das Zentrum mit Bauern zu besetzen, musste in dieser Partie gegen Aljechin den Kürzeren ziehen. Das wohl Charakteristischste an dieser Partie war, wie Pfleger es nennt, die Teufelsspringer von Aljechin, welche Reti komplett verwirrt haben müssen, sie tänzelten ihm wohl wortwörtlich auf der Nase herum.
Partie 4: Mihail Tal – Hans-Joachim Hecht, Varna 1962
Der lettische Schachzauberer, so wie Tal auch genannt wurde, stand zu seiner Art zu spielen, er meinte, es gibt korrekte Opfer und seine! Doch in dieser Partie, eine wirkliche Glanzleistung, hat Tal sich selbst überboten. Er opferte seine Dame, und Hecht konnte nur dagegen halten, indem er sie wenige Züge später zurückopferte. Nach einigem Geplänkel, sah sich Hecht allerdings in einem verlorenen Turmendspiel wieder und streckte die Waffen.
Partie 5: Robert Byrne – Robert Fischer, US Meisterschaft 1963/64
In dieser Partie zeigte Fischer, was für ein Potential in ihm steckte, schade nur, dass er auf seinem Höhepunkt aus dem Rampenlicht verschwand und sogar den WM-Titel nicht verteidigte. Fischer entkorkte in der Partie gegen Byrne einen so starken Angriff, dass sein Gegner schon nach 21 Zügen die Segel strich und aufgeben musste. Fischer hat Byrne komplett überspielt, sehr eindrucksvoll!
Partie 6: Viktor Kortschnoi – Anatoly Karpov, Moskau 1974
In dieser Partie fertigte Kortschnoi seinen langjährigen Widersacher Karpov in 19 Zügen ab. Lust selber zum Rätseln? Weiß am Zug!
13. Sxh7! … Es ist klar, dass der König den Springer nicht nehmen kann, da sonst die weiße Dame auf h6 landet und im nächsten Zug den Bauern auf g6, eine wichtige Deckung, sogar mit Schach verspeisen kann. Danach ist es total vorbei, es droht einfach Le4 nach einem Schach mit der Dame auf h6. Darum zog Schwarz 13. … Te8, aber 14. Dh6 Se5 15. Sg5 muss Schwar seine Dame opfern…
Partie 7: Judith Polgar – Rainer Knaak, Köln 1990
Bei dieser Begegnung handelte es sich um eine Live-Partie, die im WDR im Jahre 1990 im Rahmen der bereits eingangs erwähnten Sendung „Schach der Großmeister“ ausgestrahlt wurde. Knaak spielte die Französische Verteidigung und nach anfänglichem Geplänkel konnte sich Polgar im Mittelspiel den Vorteil von zwei Läufern gegen einen Turm sichern. Letztendlich spielte sie die Partie souverän zu Ende.
Partie 8: Anatoly Karpov – Garry Kasparov, Moskau 1985
In dieser Partie opferte Kasparov in der Sizilianischen Verteidigung einen Zentrumsbauern, konnte aber dafür eine Krake, in Form eines Springers auf d3 einpflanzen. Dieser lähmte das Spiel von Karpov so stark, dass er nie zu lockerem Spiel kam. Zuletzt, kam noch der zweite Springer hinzu und Karpov hatte keine Chance mehr.
Partie 9: Garry Kasparov – Vladimir Kramnik, Dos Hermanas 1996
Die Herrn Großmeister spielten die Halb-Slawische Verteidigung und Kramnik opferte im Mittelspiel einen Bauern. Dessen schlossen sich eine Leichtfigur und ein Turm an, aber Kramnik muss dies alles berechnet haben, denn Kasparov entkam ihm nicht! Am Schluss entschied eine Überlastung einer Fesselung.
Partie 10: Garry Kasparov – Fritz, New York 2003
Diese Partie gehört zu einer der wichtigsten Partien überhaupt! Hier wies Kasparov die Schachengine Fritz in die Schranken, nein nicht knapp, sondern es glich einem Spiel wie Anfänger gegen Profi! Damals, und vermutlich auch heute, vielleicht nicht so dramatisch wie in der vorliegenden Partie, sind Menschen den Computern in Punkto Strategie und dementsprechenden Manövrieren in geschlossenen Stellungen überlegen. Hier, so Pfleger richtig, ließ sich Fritz wie ein Lamm abschlachten! Kurz zu der Partie: Es war ein Halb-Slawe, bei dem Kasparov mit 6. c5 die Stellung schloss und Fritz sich von 7. … a5? verleiten ließ. In Folge verlor er diesen Bauern und es kam zu dieser Stellung:
Nun musste Kasparov den a-Bauern nur noch vorschieben, opfern, und dann hatte er einen siegbringenden gedeckten Freibauern auf b6. So einfach! Währenddessen sah Fritz nur zu und zog seine Figuren am Damenflügel hin und her, traurig, aber zugleich witzig!
Partie 11: Glucksberg B. – Miguel Najdorf, Warschau 1930
In dieser „Bonuspartie“ opferte Najdorf sage und schreibe alle 4 Leichtfiguren und setzte am Schluss mit einem Bauernzug „h5“ Matt! Sehr sehenswert!
Fazit
Diese DVD ist vor allem für Schachspieler von besonderem Wert, die die Geschichte und Entwicklung des Schachs im Laufe der letzten Jahrzehnte nicht komplett unberührt lassen! Wer sich komplizierte Kombinationen mit unzählbaren und schwierig abzuschätzenden Nebenvarianten zu lösen erwartet hat, kommt hier zwar nicht auf seine Rechnung, aber auf Grund der didaktisch sehr guten Präsentation von GM Pfleger können diese Partien gut als Alternative zu Fernsehschauen herangezogen werden. Wie auch auf der Homepage von Chessbase hingewiesen wird, sind die Partien auf der DVD zwar bekannt und können somit in den Datenbanken gefunden und nachgespielt werden, allerdings machen erst die Kommentare, witzigen Anekdoten und teils sehr interessante Hintergrund-Infos von Dr. Pfleger die Partien zu wirklichen „Juwelen“.
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