Nun haben wir Eröffnungen, Endspiele und Schachgeschichte bearbeitet und sind bereits wahre Taktikmonster, was fehlt da noch – die richtigen Pläne zu finden! Wer kennt das nicht, eine kritische Stellung ist entstanden, aber was ziehen? Michael Richter kommt aus Berlin, ist selbst Internationaler Meister und betreibt eine Schachschule. Richter zeigt wie es richtig gemacht wird, einen kühlen Kopf zu behalten und strategisch an das Problem heranzugehen. Somit betreten wir Neuland in der Rubrik DVD-Vorstellungen – und zwar Strategie! Aber, Richter zitiert richtig: „Ein schlechter Plan ist besser als gar kein Plan.“
Aufbau
Die DVD ist aufgebaut aus einem Intro, gefolgt von 40 Clips, in denen konkrete Beispiele angeführt werden, und zum Abschluss werden in einem Outro die Inhalte der DVD anhand von einem Planfindungsschema übersichtlich und gut zusammengefasst. Die Gesamtspielzeit beträgt etwas über 4,5 Stunden. Im Gegensatz zu der Trilogie von Dr. Pfleger „Die schönsten Partien der Schachgeschichte“, die ich zuletzt rezensiert habe, ist hier weniger ein Monolog vorzufinden, sondern man sollte aktiv mitarbeiten.
Inhalt
Richter teilt die DVD grob in Stellungseinschätzung, Planfindung und Variantenberechnung ein. Die Stellungseinschätzung ist somit der erste Schritt in dem Schema, aber auch der schwierigste. Hier werden Beispiele für Bauernhebel, Felder- und Bauernschwächen, Raumvorteil, Entwicklungsvorsprung, Königssicherheit, Ungleichgewichte und last but not least die Verführung gezeigt. Bei der Planfindung werden die Prinzipien der schlechtesten Figur, der zwei Schwächen und das Denken aus der Sicht des Gegners als wichtige Hilfsmittel beschrieben. Die Variantenberechnung wird gegen Ende der DVD anhand einiger Beispiele näher gebracht. Dies soll jedoch nicht das Hauptthema der vorliegenden DVD sein, aber ohne konkrete Berechnungen sind oft Pläne nur halb so viel wert. Nun folgen einige Beispiel hierzu:
Weiß am Zug, was für einen Plan hättest du? Tipp: Bauernhebel
Es gibt sicher einige Pläne, aber der beste ist 1.g5! Dadurch wird der komplette schwarze Königsflügel lahmgelegt und Schwarz kann es nicht verhindern, dass es zwangsläufig zu Linienöffnungen kommt. Aber Weiß hat im Gegensatz zu Schwarz genug Raum und somit viel Zeit alle Figuren zu optimieren. Der Läufer auf d3 kann nach dem Bauernzug h4 über f1 nach h3 auf eine bessere Diagonale gestellt, die Türme und Dame Richtung Königsflügel gruppiert werden und dann Abmarsch mit den Bauern! Der Rest sollte eine Leichtigkeit sein. Die Bauernhebel werden dazu genutzt, Linien zu öffnen und starke Felder für eigene Figuren zu schaffen. Diese werden somit zu schwachen Feldern des Gegners.
Weiß am Zug! Tipp: Schwache Felder, starke Figuren
Es fällt einem wohl unschwer auf, dass Weiß besser stehen sollte, aber wie kann man seine Stellung noch verbessern und in Richtung vollen Punkt umwandeln, was ja zugegebenermaßen meist sehr schwer ist? Weiß hat genügend Zeit für die Umgruppierung des Springers über e1-g2-e3 und dann nach c4, d5 oder f5! Dann sind alle Figuren optimal aufgestellt und früher oder später rappelt es im Gebälk! Dies ist ein Beispiel für starke Figuren (der weiße Springer) und schwache Felder (für Schwarz; c4, d5 und f5).
Schwarz am Zug! Tipp: Dies ist ein Beispiel für das Thema „Schlechteste Figur“
Wer denkt, dass der Läufer c8 eine schlechte Figur ist, der irrt! Es handelt sich um den Turm auf a8. Wie bringt man diesen allerdings am besten in Szene? 1. … c6! … und zwar mit dem Turmschwenk Ta8-a7-h7! Der folgende Angriff dürfte für einen Sieg ausreichen!
Schwarz zog gerade Da7-b6, Weiß am Zug gewinnt! Tipp: Verführung
Jetzt vermutet sicher jeder der Schwarzspieler muss ein enormer Pfuscher gewesen sein, die Dame einzustellen, sogar einzügig. Aber wenn man mal genau hinschaut, ist sie tatsächlich nicht zu verspeisen. Dieses Beispiel ist eine „Verführung“! Wenn du selber in die Falle getappt bist und die Dame geschlagen oder 1.h4 gezogen hast, mach dir nichts daraus, selbst Engines finden die Lösung nicht! Bei beiden Varianten schafft es Schwarz die Stellung mittels des h-Bauern komplett zu schließen – zwar auf Kosten der Dame, aber doch – Remis! Die Verführung ist deshalb so interessant, da man eigentlich nur 1.Sxb6+ und 1.h4 berechnet. Jedoch nüchtern betrachtet, sieht man den auf Dauer undeckbaren Bauern auf a5? Weiß kann ihn belagern, einsammeln und dann vermutlich seinen Mehrbauern verwerten!
Weiters zu sagen, dass es nicht immer einen klaren Plan gibt! Das heißt, man soll nicht immer verzweifelt nach dem Nonplusultra-Zug suchen. An dieser Stelle kann man die Partie aus der Sicht des Gegners sehen, was würde dieser denn gerne machen, was für Pläne verfolgt er?
Schwarz am Zug! Tipp: Aus der Sicht des Gegners denken
Weiß würde gerne aus der Fesselung gehen, was nur mit g3 oder g4 und Kg2 funktioniert. Somit kann Schwarz mit 1. … h4! Dagegen halten. Schwarz gewinnt früher oder später die Partie, sobald dem Weißen die Bauernzüge ausgehen. War nicht so schwierig, oder? Jedoch Engines mit ihrer enormen Power benötigen ewig, wenn überhaupt, dass sie diesen einfachen Gewinnweg finden.
Weiß am Zug! Tipp: Brauchen wir noch Tipps, wir dürften inzwischen gut genug sein 😉
Wie auch Richter meint, das sei eine seiner Lieblingsstellungen, mir hat es diese Stellung auch ein wenig angetan! Ich muss gestehen, ich fand die Lösung für den richtigen Plan nicht. An dieser Stelle wird sehr intensiv auf die Stellung eingegangen, und ein Fragenkatalog wird durchgearbeitet (laut unserem Schema wie z.B. Taktik, Bauernhebel, etc.), allerdings kommt man erst am Schluss drauf, dass die schlechteste Figur die Dame auf a4 ist! Man muss sie besser stellen, aber wie? Eine gemeinsame Batterie mit dem Läufer gefälligst? Jawohl! Ergo, 1.Lb1 ist vermutlich der einzig richtige Plan, gefolgt von Dc2 und Schwarz hat es schwer dem Druck am Königsflügel standzuhalten. Das Prinzip der schlechtesten Figur basiert darauf, dass sie nicht individuell gut stehen, sondern die Harmonie zwischen den Figuren muss gut sein!
Noch eine kurze Take-Home-Message von Richter ist, dass man bei der Variantenberechnung diese Reihenfolge bei taktischen Stellungen immer einhalten sollte: Schachs, dann Schlagvarianten und dann Drohungen prüfen. Das rührt daher, dass diese Varianten meist forciert, also erzwungen sind, und der Variantenbaum somit klein bleibt, also eher berechenbar wird. Weiters legt er dem Zuhörer auch ans Herz, wirklich alle relevanten Züge, die Kandidatenzüge, zu prüfen, lieber nicht zu tief in die Varianten zu denken, aber dafür bleiben keine wichtigen Züge unentdeckt!
Fazit
Mir persönlich hat die DVD sehr gut gefallen und ich kann sie an jede/jeden SchachspielerIn weiterempfehlen! Besonders, wenn es dir so geht wie mir und du Probleme hast, konkrete Pläne in kritischen Stellungen zu finden. In einem Werbeclip würde man sagen: Schluss mit Zeitnot durch unnötige und oft falsche Rechenaufgaben, und hin zu vollen Punkten am Brett, das wäre zwar übertrieben, aber durchaus sehr lehr- und hilfreich für Spieler bis zum Meisterniveau! Wenn man die Ratschläge von IM Richter zu Herzen nimmt, kann man viel von dieser DVD lernen. Auf Grund der vielen Beispiele wurde hier nur auf einen Teil eingegangen, wer aber Interesse bekommen hat, die ganze DVD zu erforschen, findet sie hier im Online-Shop.