Die DVD „Der Königsplan zum Turniererfolg“ von GM Stefan Kindermann behandelt bis jetzt von uns noch unbehandelte Themen rund um das Schach, wie zum Beispiel die Schachpsychologie. Kindermann ist Österreicher, spielte aber ab den 1980ern für Deutschland bei Schacholympiaden. Seit einigen Jahren ist er wieder im Kader von Österreich anzutreffen, wo er immer noch zu den Topspielern gehört. Die DVD – es gibt auch ein dazugehöriges Buch – basiert auf einem kompletten Konzept, wie man an Schach herangehen kann. Er hat viel Erfahrung als Profi-Schachspieler, aber auch als Trainer.
Aufbau
Die DVD besteht aus 30 Clips mit einer Spieldauer von jeweils 3-24 Minuten. Insgesamt ist Videomaterial von knapp 4 h vorhanden. Die Clips werden nacheinander präsentiert, wobei auch der Zuseher zum Denken angeregt wird. Kindermanns Präsentationsstil ist absolut verständlich, auch für fortgeschrittene Anfänger.
Inhalt
Es wird eine große Anzahl an Themen bearbeitet, dadurch ist es auch wie bei der letzten DVD von Richter nur auszugsweise möglich auf diese einzugehen. Sehr interessant finde ich, wie Kindermann über die Schachpsychologie spricht, vor allem die Themen „Spiel gegen überlegene Gegner“ und der „Killerinstinkt“. Letzteres demonstriert er auf überzeugende Weise an einer Partie von Gelfand gegen Nakamura, bei der der Amerikaner die Schwäche seines Gegners „erfühlte“, mit Schwarz ein Remis durch Zugwiederholung ablehnte, und dann aus einer für „gewöhnliche Schachspieler“ schlechteren Stellung einen vollen Punkt erzielte!
Sehr wichtig finde ich auch die Themen „Hektischer Aktionismus“ und „Anti-Aktionismus“. Hier befragt man die Stellung, ist genügend Zeit für eine Optimierung der Figuren vorhanden, was ist das Tempo der Position oder kann der Gegner konstruktive Aktionen für einen Gegenangriff setzen?
Anhand eigener Partien zeigt Kindermann einen weiteren Hauptaspekt, kurz genannt „Die Klippe der Angst bzw. der Gier“. Neigen wir in besseren Stellungen mehr zu riskieren oder eher dazu, dass uns der Mut verlässt und die vermeintlich bereits gewonnene Partie ins Remis abgleitet? Laut Kindermann gehören 80% eher zu den ängstlichen Spielern. Er betont aber, dass es überaus wichtig ist, über diese Klippe zu springen, und dass es oft der Fall sein wird, dass Ruhm und Ehre winken, auch wenn man das eine oder andere Mal dabei fehlgreift.
Finde den besten Zug! Thema: Gewaltzüge
Bei diesem Beispiel scheint die Lösung sofort auf der Hand, 1. Lc5 und alle Träume von Schwarz sind begraben. Allerdings, bei einem zweiten Blick erkennt man, dass die Gegenfesselung mittels 1. … Lb6 sehr stark aussieht und meist wird dann die Variante sofort verworfen. Nun sollte man aber zumindest immer die Gewaltzüge wie Schachgebote prüfen, und siehe da, 2. Df4+ gewinnt die Partie sofort, da im nächsten Zug die schwarze Dame einverleibt werden kann. Es lohnt sich also in jeder Stellung, alle Gewaltzüge, auch wenn es nur für 1-2 Sekunden ist, zu prüfen!
Kindermann schlägt vor, wenn man bei der kritischen Selbstdiagnose Probleme bei der Genauigkeit und Präzision von Berechnungen hat, sollte man zu allererst mit Bauernendspielen anfangen, da man hier über viele Züge hinweg kalkulieren kann. Weiters findet er hierfür sehr essentiell, dass man sich mit dem Visualisieren von Stellungen intensiv beschäftigt, z.B. durch Blindschach-Übungen. Ganz generell, sollte man eher in die Breite kalkulieren, anstatt sich sofort in tiefe Varianten zu stürzen. Also Kandidatenliste gründlich erstellen und komplett durcharbeiten, und ganz wichtig, bewerten! Dadurch werden gute Züge nicht schon zu Beginn ausgeschlossen. Teilweise kann auch das tiefe Rechnen zu unscharfen Visualisierungen führen, was unter dem Strich nur in einer Bedenkzeiteinbuße und sonst nichts resultiert.
Das, wie Kindermann beschreibt, „Etikettieren“ von Schlüsselstellungen oder Kombinationen scheint ein interessanter Ansatz zu sein, um diese dann besser aus dem Gedächtnis abrufen zu können. So nennt er beispielsweise ein Matt durch die Dame direkt vor dem König „Der Kuss des Todes“. Je bunter und ausgefallener, desto eher bleibt es in Erinnerung. Diese Etiketten sollen zu einer erhöhten Denkeffizienz führen. In diesem Atemzug ist auch wichtig zu differenzieren, ich kenne ein Muster, aber ist die aktuell am Schachbrett vorherrschende Stellung genau gleich oder annähernd gleich aufgebaut oder sind diverse Figuren vorhanden, die den ganzen Plan vereiteln? So zum Beispiel das bekannte „Doppelläufer-Opfer“ von Lasker mit Weiß gegen Bauer anno 1889:
Weiß ließ in der oberen Diagrammstellung 1. Sh5 folgen, worauf Schwarz Sxh5 zog. Dies legte den Grundstein für das Doppelläufer-Opfer zunächst auf h7 und dann auf g7. In Kombination mit der Dame ist der Angriff letal. In dem unteren Diagramm sieht es ähnlich aus, aber was ist anders?
Der Springer auf d5 sieht verdächtig aus! Falls Weiß mit dem gleichen Schema arbeiten möchte, wirkt am Ende der Kombination dieser Springer massiv dagegen. Aus diesem Grund ist der beste weiße Zug 1. Sb6 wodurch dieser Springer mittels Sxb6 vertrieben wird. Anschließend kann es schon wieder auf h7 und g7 krachen… 1-0! Es gibt zahlreiche Beispiele bei denen sich Spieler an vermeintlich korrekte „Etiketten“ erinnern versuchten, jedoch das „Was ist anders?“ vernachlässigt haben und somit total fehlgriffen.
Kindermann betont oft, dass man, sobald einem gewisse Muster bekannt erscheinen, von vorwärts gerichtetem Denken zum rückwärts gerichteten Denken wechseln kann/soll – Wie erreiche ich diese Stellung? Was muss hierzu geschehen? Kindermann ist dabei nicht alleine, auch weltbekannte Trainer wie Valeri Beim und Mark Dvoretsky sind dieser Ansicht.
Fazit
Ich finde die DVD von Kindermann sehr interessant, obwohl mir ein etwas strukturierterer Aufbau der einzelnen Clips leider fehlt. Erst anhand der Datenbank kann die Reihenfolge der Clips eruiert werden. Zu Beginn ist man dadurch etwas verwirrt und es fehlt ein wenig der rote Faden. Nichtsdestotrotz ist die DVD auf Grund ihrer Thematik, der Beispiele und auch der interessanten Geschichten von Kindermann absolut zu empfehlen. Mir persönlich waren gewisse Aspekte total unbekannt und man kann nun von einer anderen Perspektive auf bestimmte Probleme am Schachbrett, aber auch auf Barrieren im eigenen Hirn schauen und Lösungsansätze finden. Wer sich eine Strategie-DVD wie z.B. von Richter oder Taktik-DVD von Breutigam vorgestellt hat, könnte etwas zu wenig auf seine Kosten kommen, aber es bietet dafür spannende Hintergrund-Informationen über unser Schachhirn. Zusammenfassend, empfehlenswert! Wer Interesse bekommen hat, die ganze DVD zu erforschen, findet sie hier im Online-Shop.