Nach der verlängerten Sommerpause starten wir wieder mit Vollgas durch! Die DVD „Phantasie statt Theorie 1.d4 c5!“ von IM Eva Moser verspricht viel, diesem werden wir in den nächsten Zeilen auf den Grund gehen! Zunächst noch ein paar Worte über die Person Eva Moser. Sie ist aktuell mit einer Elo-Zahl von 2436 in den Top 50 der FIDE-Weltrangliste der Frauen und zählt neben GM Markus Ragger zu den Aushängeschildern im Schach in Österreich! Eva Moser ist schon von klein auf in ganz Österreich bekannt und schon seit vielen Jahren die unangefochtene Nummer 1 der Damen.
Der Titel der DVD verspricht einem, das leidige Thema „Eröffnungen“ um den Phantasie- bzw. Spaßfaktor zu erweitern und das lästige Auswendiglernen von unzähligen Eröffnungen zu ersparen. Klingt soweit ja ganz gut, und so manch eine oder einer träumt davon, aber ist das wirklich wahr? Muss man wirklich nichts lernen und halten die Eröffnungen ebenbürtigen oder stärkeren Gegnern stand? Wir werden es sehen…
Aufbau
Die DVD besteht aus 14 Clips, die jeweils unterschiedlichen Eröffnungsvarianten zugeordnet sind. Die Länge eines Clips ist in etwa ¼ Stunde und man kann dem Inhalt leicht folgen. Nachdem man die einzelnen Varianten betrachtet hat, ist anschließend noch etwas Grübeln gefragt. Und zwar sind danach 10 Testaufgaben in separaten Clips zu lösen, welche Stellungen enthalten, die aus den gezeigten Eröffnungsvarianten entstehen können und typische Ideen darstellen. Nach dem Clip kann man direkt den Zug ausführen und je nach Antwort kommt die Auflösung, ein Hinweis oder die Erklärung von Nebenvarianten. Dies ist eine tolle neue Funktion! Die DVD ist in deutscher Sprache erhältlich und die Gesamtspielzeit beträgt in etwa 4 Stunden.
Inhalt
Auf dieser DVD wird auf die Eröffnungspläne nach 1.d4 c5 eingegangen. Der Fokus liegt vor allem bei den kurz- und längerfristigen Ideen des Schwarzen. Es wird zwar versucht, den Hauptvarianten von bekannten Eröffnungen zu umgehen, aber immer ist dies nicht möglich. Sowohl Weiß als auch Schwarz haben an gewissen Stellen Möglichkeiten vom Kurs abzuweichen. Im Folgenden werden wir kurz auf die einzelnen Varianten und Ideen eingehen.
1.) 1.d4 c5 2.d5
Dies stellt die häufigste Erwiderung dar und ist eigentlich der einzige Zug, bei dem Weiß auf Vorteil hoffen kann, da er etwas Raumvorteil erlangt. Generell hat die Stellung einen geschlossenen Charakter und ähnelt stark der Eröffnung Benoni (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5).
Nun gibt es zwei prinzipielle Möglichkeiten nach dem flexiblen Zug 2. … d6:
a.) 3.c4: Dies lässt wiederum Schwarz die Wahl ob er in eher ruhigere Gewässer oder in einen Sturm hineinfahren möchte. So ist z.B. nach 3. … e5 4.e4 Sf6 5.Sc3 Le7 6.Sf3 0-0 7.Le2 Sbd7 8.0-0 Se8 eine Stellung entstanden, die dem Königsindisch ähnelt und (vorerst) eher gemächlicher losgeht.
Nun gibt es den Plan mit g6, Sg7 und f5 einen Königsangriff zu starten, bei dem Weiß, gehindert durch den schwarzen Bauern c5, länger braucht, um seinen Angriff am Damenflügel durchzusetzen, als es bei einer „normalen“ königsindischen Aufstellung der Fall ist. Desweiteren weist Eva Moser auch auf die sehr ruhige Variante hin: 4. … Le7 (anstatt 4. … Sf6), mit dem Plan Lg5, um seinen schlechten Läufer gegen den guten Gegenspieler auf c1 zu tauschen. Dies dürfte in den meisten Fällen gut funktionieren, eventuell müsste man noch Lc8-g4xf3 einschalten. Schwarz hat dann ein angenehmes Spiel.
Wenn sich Schwarz jedoch etwas mehr nach Variantenvielfalt sehnt, ist folgender Aufbau interessanter: 1.d4 c5 2.d5 d6 3.c4 g6 4.Sc3 Lg7 5.e4 e6 6.Ld3 Se7.
Nach 5. … e6 „stellt“ Schwarz zwar seinen Bauern d6 auf kurz oder lang ein, aber Eva Moser betont, dass Weiß nicht viel Spaß daran haben wird, diesen zu rauben. Wie man hier sehen kann, hat Schwarz eine Fülle von Optionen, ob nun der in der Stellung einskizzierte Plan oder z.B. Lxc3 mit Schließung der langen Diagonale mit e5, oder die Öffnung von Linien mittels exd5 gespielt werden möchte, unterliegt komplett dem Spieler/der Spielerin mit den schwarzen Steinen. Alle Varianten versprechen genügend Gegenspiel.
b.) 3.e4 (ohne c4): Falls dem e-Bauern Vorzug gegeben wird, kann man auch wie zuvor mittels 3. … e5 fortsetzen, jedoch falls c2-c4 nie gezogen wird, sollte man das Le7-g5-Manöver nicht spielen, da in einigen Varianten ein lästiges Zwischenschach auf b5 bzw. c4 als gutes Feld für eine Figur genutzt werden kann. Hier sollte man laut Eva Moser besser den Plan Sf6, 0-0 und mit späterem g6 und f5 durchsetzen. So kann es z.B. zu 1.d4 c5 2.d5 d6 3.e4 g6 4.Sc3 Lg7 5.Sf3 Sf6 6.Le2 0-0 7.0-0 Sa6 kommen. Hier sollte beispielsweise auf 5. … e6 verzichtet werden, da Weiß eine Figur mehr entwickelt hat und sich das Bauernopfer nicht gut ausgeht.
2.) Weiß spielt früh f4: Schwarz sollte Ruhe bewahren und den alt-bewährten Regeln folgen, Flügelangriff wird mit Zentrumsattacke gekontert. Wenn Weiß c4 spielt, empfiehlt es sich auf d5 zu tauschen, die lange Diagonale h8-a1 mit dem Läufer zu besetzen (Se7) und die Stellung mit f7-f5 zu öffnen. Dies müsste eine solide Stellung mit guten Chancen gewährleisten. Falls Weiß auf c4 verzichtet, ist eher ein königsindischer Aufbau mit g6, Lg7, Sf6 einzunehmen, wobei mit e6 wiederum das Zentrum angegriffen wird.
3.) 1.d4 c5 2.d5 f5: Dies wird Holländisches Benoni genannt und wird auf der DVD auch vorgestellt. Kurzum, eine interessante Möglichkeit seinen Gegner aus dem Konzept zu bringen, aber ob diese Variante mehr auf dem Kasten hat, wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.
4.) 1.d4 c5 2.e3 bzw. 2.c3: Auf diese Abspiele möchte ich nicht im Detail eingehen, es sei aber erwähnt, dass es hier durch Zugumstellung zu einigen bekannten Hauptvarianten kommen kann. Aufgrund der passiven weißen Spielweise hat Schwarz hier jedoch keine Probleme. So kann es z.B. nach 1.d4 c5 2.e3 cxd4 3.exd4 d5 zu einer Caro-Kann-Variante, durch 1.d4 c5 2.e4 cxd4 3.c3 zu einer Sizilianischen-Variante, dem Morra-Gambit, oder nach 1.d4 c5 2.c3 cxd4 3.cxd4 d5 zu einem Abtausch-Slawen kommen. Nach 2.e3 empfiehlt Eva Moser einen Doppelfianchetto-Aufbau und nach 2.c3 Da5 mit angenehmem Spiel.
5.) 1.d4 c5 2.dxc5: Es lässt sich erahnen, dass das Nehmen auf c5 nicht wirklich motiviert aussieht. Schwarz kann mittels 2. … e6 sofort Druck auf diesen Bauern machen und gewinnt diesen wieder. Falls Weiß versucht diesen zu halten, gelangt er folglich bald ins Hintertreffen! Das heißt, Weiß ist am besten beraten, die Entwicklung normal abzuschließen.
6.) 1.d4 c5 2.Sf3: Dieser natürlich aussehende Springerzug dürfte Schwarz sofortigen Ausgleich geben und Weiß muss darauf achten, dass die Initiative nicht sofort an seinen Gegner übergeht. Es könnte folgen 2. … cxd4 3.Sxd4 d5 4.c4 e5 5.Sc2 d4.
Fazit
Die besprochene DVD „Phantasie statt Theorie 1.d4 c5!“ von IM Eva Moser ist vor allem an Schachspieler gerichtet, die nicht die Zeit oder Lust haben, viele DVDs und Bücher voll Theorie auswendig zu lernen, oder an jene, die en passant ihr Eröffnungsrepertoire erweitern möchten, ohne dabei viel Mühe auf sich zu nehmen. Ich finde diese DVD sehr gut gelungen und habe auch für mich etwas mitgenommen, um nach 1.d4 c5 als Weiß- und vielleicht auch in Zukunft als Schwarz-Spieler die richtigen Pläne parat zu haben! Diese Eröffnung, so betont auch Eva Moser, zeigt auf, wie leicht es sein kann, mit ein paar simplen Ideen und Plänen auf einen der gängigsten ersten Züge eine passable Antwort zu haben. Aufgrund der flexiblen Spielweise, bei der Schwarz mitentscheiden kann, welche Weichen gestellt werden, bin ich mir sicher, diese Eröffnung im Turnier-Alltag in Zukunft öfter zu sehen. Wer Interesse bekommen hat die ganze DVD zu erforschen, inklusive der instruktiven Kommentare von Österreichs Nummer 1 der Frauen, IM Eva Moser, findet sie hier im Online-Shop.